Freitag, 18. November 2011

Delhi

Vorweg: Ich mag Delhi, obwohl ich eigentlich nicht recht weiß, warum. Vielleicht weil es bei weitem nicht so chaotisch ist, wie es heißt. Entweder sind der Lonely Planet bzw. die Untergangspropheten unter den Reisenden, die mir von Delhi erzählten, einfach hysterisch oder ich stumpfe langsam ab. Eine absolute Metropole, gespalten zwischen Old und New Delhi – und ich habe ein hervorragendes Hotel genau im gerade noch netten Teil dazwischen gefunden, was es praktisch macht und einem das Geschacher mit den Rikschafahrern erspart (die erstaunlich ruhig gelegenen Zimmern tragen sicher auch zu meinem Wohlgefühl hier bei). Allerdings liegt das Hotel mitten am Touri Ground Zero Pahar Ganj, es erinnert mich ein bisschen an die Kaoh San Road in Bangkok: Billige Hotels, noch billigere Touristenfallen für „originale“ Artefakte und Klamotten aller Art und ein Berg von Rucksackreisenden. An und für sich habe ich da nichts gegen einzuwenden, allerdings habe ich schon frühzeitig den Eindruck gewonnen, dass es in Indien nur zwei Arten von Touristen gibt: Einerseits die wohlsituierte Rentnerklasse im organisierten Trip von (besserem) Hotel zu (besserem) Hotel und andererseits die Rucksackfraktion – die in Indien allerdings mehrheitlich auf esoterisch-verhuschtem Selbstfindungstrip zu sein scheint, bunte Pluderhosen und verklärter Blick auch beim Anblick eines Abwasserkanals inklusive. Soweit, immer noch nicht wirklich schlimm, man muss sich ja nicht unterhalten, aber leider bedeutet das auch unrasierte Damen mit breiten Gesäßen (Die kleine Französin Fanny in Mamallapuram war in der Tat die einzig attraktive Frau westlicher Herkunft, die ich seit Mumbai gesehen habe). Tragisch und nicht sehr ansehnlich, keine Ahnung warum die Inder immer noch so freundlich bleiben.

Wie auch immer, Old Delhi ist so, wie man sich Indien gemeinhin vorstellt: Enge Gassen, überfüllte Basare mit einem Gewusel aus Händlern, Frachtkulis, Fahrrad- und Motorrikschas:


Ein Genuss für alle Sinne, man muss sich nur von dem Gedanken verabschieden, schnell von A nach B zu kommen, der Inder an sich bewegt sich nur bis zu einer gewissen Maximalgeschwindigkeit (die ziemlich niedrig ist) und wenn man Leute im Gewühl überholen möchte bringt man nur alles durcheinander – also einfach aufgeben und sich dem Geschlender anpassen, sonst geht es  an die Nerven! Schafft man die Anpassung allerdings, so bietet sich einem ein wirklich charmanter Spaziergang, mit einem kleinen Snack vom fliegenden Händler an der einen Ecke und einem Tee und einem Schnack mit einem Händler oder den Frachtkulis an der nächsten – mit letzteren kommuniziert man allerdings eher mit Händen und Füssen, mit Englisch haben sie’s nicht so. Dennoch, charmant:


Um wieder etwas zur Ruhe zu kommen bietet sich das Rote Fort an: Ein recht weitläufiger Komplex, weniger massiv als das Fort in Agra und auch weniger prachtvoll, aber dafür mit einem recht gut gepflegten Park versehen, in dem sich die einzelnen offiziellen Palastbauten – eher große Pavillons verstreuen:


Der ganze Bereich ist von einer Art Miniaturkanalsystem durchzogen, das neben dekorativen Zwecken auch als Klimaanlage diente – leider im Moment aber kein Wasser mehr führt. Ein drolliges Detail: Ausgerechnet der Pavillon von Königin Mumtaz wurde zur Zeit des indischen Aufstands 1857 von den Briten als Gefängnis genutzt! (Mumtaz war das Herzblatt von oben genanntem Schah Jahan und der Grund für den Taj Mahal – allerdings wurde der Hof nie wirklich von Agra hierher verlegt, da Sohnemann Aurangzeb seinen Papa, entnervt von den gewaltigen Summen, die der Bau des Taj verschlang, vorher bereits abgesetzt und eingekerkert hatte)

New Delhi und vor allem das Regierungsviertel präsentiert sich dagegen komplett anders. In der Tat gehört es gar nicht zu Indien: Es ist blitzsauber, die Parks sind englisch gepflegt (der ganze Bereich stammt noch aus britischer Zeit), weite Alleen mit üppig grünen Bäumen und wenig Verkehr führen hindurch – und Ampeln werden selbst von Rikschafahrer beachtet. Außerdem herrscht eine erschreckende Knappheit an Chai-Ständen. Nein, dies ist definitiv nicht Indien!

Die Regierung...

...und der Zubringer 

Es ist wirklich eine komplett andere Welt, die Welt internationaler Hotelketten der gehobenen Klasse und westlicher Designerfirmen.

Lediglich im Übergang zwischen Old und New Delhi ist man etwas verloren: 70er-Jahre Kotzbrockenarchitektur wohin man blickt. Auch musste ich etwa 12 Geld-O-Maten abklappern bis sich einer erbarmte und auch Geld ausspuckte. Dazu kommt wieder eine erhöhte Präsenz von Polizei und vor allem Militär. Gut, gerade um den Regierungssitz herum lässt sich das einsehen und auch, dass sie nach dem Bombenanschlag auf das Gericht hier vor zwei Monaten etwas fickerig sind, aber mitunter treibt es etwas seltsame Blüten: Am Bahnhof von New Delhi beispielsweise wird jedes Gepäckstück durchleuchtet – gut und schön, aber da man einen Bahnhof weiter ohne jeden Check einen Pendlerzug besteigen kann und in New Delhi ankommt, kommt mir das etwas wie der übliche blinde Aktionismus amerikanischer Machart vor.

Egal, ich mag es dennoch hier. Aber langsam bin ich wirklich reif für Bali!

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