Samstag, 17. Dezember 2011

Zu Hause

Und schon ist ein ereignisreiches, schönes, lehrreiches und durch und durch großartiges Jahr vorbei. 13 Monate, 15 Länder, hunderte von interessanten Menschen und bestimmt genauso viele interessante Orte, phantastische Momente und auch einige nicht so schöne, die einen die schönen aber um so mehr schätzen lassen. Ich könnte sicherlich ein langatmiges Fazit der gesamten Tour schreiben, aber eigentlich reicht es zu sagen, dass die Welt ein großartiger Ort ist, es wunderschöne Gegenden gibt, die man einfach mal selbst erlebt haben sollte, und das die Menschen überall auf der Welt normalerweise schlimmstenfalls harmlos, bestenfalls interessant, aufgeschlossen und nett, niemals aber undankbar oder abweisend gegenüber dem interessierten Reisenden sind.

Nun bin ich also zurück in der schönsten Stadt der Welt – ich denke mit meiner Route im Rücken kann ich dies sagen – und muss mir überlegen, wie es weitergeht. Aber ich bin optimistisch…

An dieser Stelle auch ein Dank an diejenigen, die meinen Ergüssen mehr oder weniger regelmäßig und mehr oder weniger kommentierend gefolgt sind, in der „Fremde“ ist so ein Bezug sehr willkommen!

Eine Zusammenfassung der Tour stammt möglicherweise von Jimmy Buffet, die würde ich gelten lassen:

Some of it’s magic,

Some of it’s tragic,

But I had a good life all the way.

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Bei Nacht...

…gewinnt Singapur ungemein: Wie auch in Hong Kong macht eine Skyline von beleuchteten Wolkenkratzern durchaus einen Unterschied. Das klare Licht, die deutlich umrissenen Konturen gegen den tief dunkelblauen Nachthimmel, das hat schon was. Das momentan wohl schickste Hotel in Singapur, das Marina Bay Sands, fühlt sich außerdem bemüßigt die Light Show von Hong Kong zu kopieren, durchaus mit Erfolg:


Dazu ein kühles Bier in warmer Brise, es geht schlimmer. Lediglich die Schlipsträger mit ihrem Ach-so-lässig Gehabe sind etwas störend, nicht zuletzt weil die begleitenden Damen reichlich langweilig wirken.

Entgegen meinen Erwartungen habe ich durchaus in zwei nette und sogar grüne (!) Ecken erlaufen, allerdings um den Preis schmerzender Füße und triefenden Schweißes. Nichtsdestotrotz ist die Gegend unterm Strich eher langweilig. Nicht einmal die Yachthäfen konnten bei mir punkten – es ist doch immer das gleiche mit den Asiaten: Wo ich dem Wachpersonal der Marina in Cartagena/Kolumbien nur sagen musste, dass ich Boote mag und mich nur mal umschauen wolle, um mit freundlichstem Lächeln auf die schönsten Boote und ihre Liegeplätze hingewiesen zu werden – „Und nimm dir alle Zeit der Welt…“ – heißt es hier: „Sorry Sir, this is private, you need an appointment“ Als ob ich mit einem Boot unterm Arm heimlich verschwinden wollte… Immer das gleiche, die Polizisten in Hong Kong erzählen einem auch immer nur sie „hätten ihre Befehle“ - selbstständiges Denken geht den Leuten hier nicht so leicht von der Hand. Naja, nach dem ich eine Ecke weiter einen Blick zurück werfen konnte war zu sehen, dass da eh’ nur uninteressante Schrotthaufen rumlagen.

Wie auch immer, so schlimm ist’s hier auch nicht, aber es könnte auch besser sein.

Montag, 12. Dezember 2011

Singapur

Nun ja, Singapur. So ganz per Plan – und weshalb ich eigentlich meinen Flug so gelegt habe – ist die Sache nicht: Die eine junge Dame, die ich hier eigentlich besuchen wollte, ist vor kurzem weggezogen und die andere ist auf Geschäftsreise. Damit reduziert sich Singapur so ziemlich auf einen reichlich langweiligen Dschungel aus Glas und Beton, „belebt“ lediglich von Bankern. Welch’ rauschendes Fest! Na toll.

Lediglich Chinatown bietet eine gewisse Reminiszenz an meine Zeit in Hong Kong, aber eben nur ein wenig. Auch die Reede von Singapur stimmt mich ein wenig melancholisch. Der Rest ist allerdings ziemlich für die Tonne und die Bierpreise prohibitiv.

Naja, zumindest kriegt man hier anständigen Kaffee.

Also laufe ich hier für ein paar Tage ziellos durch die Straßen (bei feuchten 32 Grad allerdings eine schweisstreibende Angelegenheit). Nun, ein oder zwei Museen sollen hier ganz sehenswert sein und vielleicht werde ich ja doch von einer nette Ecke überrascht, aber optimistisch bin ich da nicht – immerhin, ein Grund mehr, sich auf die schönste Stadt der Welt zu freuen…

Dienstag, 6. Dezember 2011

Lazy Days...

Zurück auf Bali gibt es wenig zu berichten, ich verbummele sehr entspannte Tage, lese viel am Strand oder am Pool und hin und wieder gibt’s einen kleiner Spaziergang am Strand entlang. Abends dann gerne mal ein Kaltgetränk in freundlicher Runde oder in einer netten kleinen Bar um die Ecke (Sonntag ist Grilltag: Die Bar hat ein komplettes Spanferkel geröstet, sehr lecker!) oder ich treffe mich mit der ein oder anderen netten jungen Dame in einem der feineren Beach Resorts zum Aperitif bei Sonnenuntergang – auch nicht zu verachten.

E-KEL-HAFT!!

Alles in allem für mich ungewohnt aktivitätslos, aber man muss ja auch einfach mal die Seele baumeln lassen.

Dienstag, 29. November 2011

Nusa Lembongan

Ein hübsches Fleckchen. In einer flachen Bucht gelegen geht der Blick vom Hauptort auf Nusa Lembongan Richtung Westen – in den Sonnenuntergang, natürlich:


Die Bucht ist ziemlich flach, man muss mit den Booten ein wenig manövrieren um die Seetangfelder zu umgehen. Diese sind – neben Tourismus natürlich – die Haupteinkunftsquelle der Inseleinwohner, genutzt als Lebensmittel und besonders für die Kosmetikindustrie. Dieses Jahr soll es eine besonders gute Ernte sein, was aber auch nur dazu führt, dass die Preise sinken und das Einkommen der Leute praktisch gleich (niedrig) bleibt. Dennoch scheint hier jeder guten Mutes und ebenso freundlich wie auf der Hauptinsel.

Ich habe ein hübsches Zimmer direkt am Wasser, gleich neben dem Dive Shop. Blick von meiner Terrasse? Bitteschön:

Am Abend, kurz nach Sonnenuntergang...

Mein Hauptanliegen ist natürlich das Tauchen, und das ist hier wirklich fantastisch: Die Korallenriffe sind umwerfend, intakt und unbeschädigt und durch eine Tiefenströmung farbenprächtig, divers und voller Fische – ohne Zweifel in den Top Drei der schönsten Tauchecken, die ich bisher gesehen habe.

Vorbei an Klippen und Mangrovenwäldern geht es zwischen den Inseln hindurch, die Sonne scheint meist und das Wasser ist von tiefem Blau:


Und da unser Tauchboot – ein etwas größeres, aber traditionell gebautes Auslegerboot – auch Kaffee an Bord hat (nun gut, keinen großartigen, aber ich will nicht meckern) ist die Fahrt zu den Riffen und zurück immer ein Genuss. Dazu kommt, dass sowohl die Dive Master als auch die Tauchgäste bis jetzt durchweg eine sehr nette Gruppe bilden, mit der man abends auch durchaus mal ein Glas trinken gehen kann. Alles sehr entspannt.

Und dann folgt der Sprung ins Riff, ein Traum:


Insbesondere die Artenvielfalt ist überwältigend, von verschiedensten Rifffischen über Mantas, Seeschlangen, Seeschildkröten bis hin zu den unterschiedlichsten Korallenarten, sowohl Weich- als auch Hartkorallen. Absolut großartig:

Leider bin ich nicht so der Meisterunterwasserfotograf und so eine kleine Kamera hat schon Mühe mit Detailaufnahmen. Die Lichtverhältnisse unter Wasser sind für Kameras schwierig, was man mit dem menschlichen Auge an Farbenpracht wahrnimmt überfordern sie meist, aber werde mal versuchen von John, dem Besitzer des Dive Shops und einer High-End Megakamera, eine schöne Weitwinkelaufnahme zu bekommen…

Besagte Strömung macht das Tauchen hier übrigens auch besonders interessant: Nicht nur ist das Tiefenwasser vergleichsweise kalt ist (im Gegensatz zu Fiji tauchen wir hier nur in Neopren), auch ist es ganz schön schnell, die Tide kann gewaltig sein. Sie bildet klare Stromkanten und richtiggehende Whirlpools an der Oberfläche – und eben auch unter Wasser. Mitunter muss man ganz schön aufpassen, dass man nicht plötzlich 15 Meter in die Tiefe gesaugt wird oder sich auf einmal am anderen Ende des Riffs wieder findet – aber es macht einen Mordsspaß!

Ein paar Tage habe ich noch, dann geht’s zurück auf die Hauptinsel. Mal sehen, was ich da dann noch so treibe.

Donnerstag, 24. November 2011

Sanur, Bali

Ich kann schon verstehen weshalb Bali so eine beliebte Urlaubsecke ist. Selbst in Sanur, relativ nah am Flughafen und etwas eng bebaut – samt und sonders Läden, Bars, Restaurants und Hotels für Touristen – ist es schon nett, manche Ecken sogar richtig schön.


Und die Balinesen machen einen ausgesprochen freundlichen Eindruck, selbst diejenigen, die einem nichts andrehen wollen.

Das Hostel bedeutet zur Abwechslung mal wieder schlafen im Dorm-Room, aber da die Gäste eine außergewöhnlich angenehme Gruppe waren war das sicherlich kein Problem – und außerdem war das Hostel selbst wieder mal richtig nett. Abgesehen von einer kleinen Mopedtour zur Südspitze von Bali mit Sam, einer Australierin, zum Sonnenuntergang bestand die Zeit aber mehrheitlich aus Entspannen und nach Indien wieder ein paar Gänge runterschalten.

Der Sonnenuntergang war trotzdem schön, bei charmanter Begleitung umso mehr

Nun sitze ich auch schon auf Nusa Lembongan, einer vorgelagerten Insel, und freue mich auf den ersten Tauchgang morgen früh – tidebedingt leider zu einer gottlosen Zeit.

Mittwoch, 23. November 2011

Air Asia

Also, es mag ja sein, dass ich durch Indien in einer gewissen Weise etwas unterzuckert bin, aber hudelelli, was haben die bei Air Asia schnuckelige Stewardessen...

Sonntag, 20. November 2011

Fazit Indien

Was halte ich jetzt also von Indien? Es ist zweifellos ein hochinteressantes, vielleicht sogar einzigartiges Land, keine Frage. Allerdings nicht zwingend, sicherlich nicht ausschließlich, im positiven Sinne. Es ist ein einziger großer Kontrast. Ein mitunter wunderschönes Land, mit Menschen von fast überbordender Freundlichkeit. Auf der anderen Seite ist es eine Gesellschaft, die aufgrund von überkommenen, vorwiegend religiösen Vorstellungen im Vorgestern verhaftet ist. Eine Gesellschaft, die Pogrome zulässt, auf die Adolf stolz gewesen wäre. Eine Gesellschaft von einem immensen potentiellen Reichtum, die aber akzeptiert, dass eine halbe Milliarde Menschen unterhalb der Armutsgrenze in den Straßen verrottet und vier- fünfjährige Kinder in Dreck und Fäkalien wühlen um etwas Verwertbares zu finden, während der Staat sein Geld rauswirft um in einem Konflikt, der an Lächerlichkeit kaum zu überbieten ist, atomar aufzurüsten. Gleichzeitig findet man eine unterschwellige Dynamik, die Möglichkeiten aufzeigt wie kaum irgendwo sonst – wenn denn die Gesellschaft im Ganzen irgendwann auch nur im 20. Jahrhundert ankommen würde, geschweige denn im 21.

Manchmal ist das schon sichtbar, in Städten wie Bangalore oder Mumbai (zumindest in Teilen dieser Städte), mit hervorragend ausgebildeten jungen Menschen, die langsam althergebrachten Strukturen in Frage stellen. Ich will nicht missverstanden werden, ein beträchtlicher Teil, der Indien so beeindruckend macht, liegt sicherlich in den alten Kulturschätzen und ihrer Geschichte, aber es ist eben das: Geschichte. Und es sollte nicht zu viel verlangt sein, im Heute anzukommen ohne seine kulturellen Wurzeln zu vergessen – letztlich gibt es einen beträchtlichen Ballast in dieser Kultur (das Kastenwesen, die Unterdrückung der Frau, die Akzeptanz von extremster Armut während man geduldig in der Reihe steht, um auf die nächste Inkarnation zu warten – um nur einiges zu nennen) der meiner bescheidenen Meinung nach schlicht in die Tonne gehört. Jeder wie er will, ok, aber erwachsene Menschen, die sich im Alltag Farbe ins Gesicht schmieren, um den Goodwill ihres Favoriten unter den 30 Millionen Gottheiten nicht zu verwirken, sind mir nun einmal etwas suspekt – gut, mir persönlich ist alles religiöse Getue suspekt, egal welcher Glaubensrichtung, aber hier hat Religion einfach noch einen wesentlich höheren Stellenwert im Alltag als sonst wo. Ach, und ein kleines bisschen sexuelle Revolution würde ihnen auch ganz gut tun – nur ein klein wenig weniger Verkrampftheit.

Mir scheint mal wieder, dass es mit der Bildung und den jungen Menschen steht und fällt. Das Potential ist allemal vorhanden, aber es wird einfach nicht – oder nur unzureichend – genutzt. Es ist schon fast tragisch, wie simpelste Dinge im Argen liegen: Die allgegenwärtige Umweltverschmutzung hatte ich ja schon mehrmals erwähnt. Ist es so schwer zu verstehen, dass Plastikmüll nicht einfach in zwei Wochen verrottet wie Palmblätter? Ist es wirklich zu viel verlangt, zumindest die Stellen, an denen Trinkwasser entnommen wird, einigermaßen von Fäkalien und Industrieabwässern frei zu halten? Muss man wirklich für jeden noch so kleinen amtlichen Antrag ein Monatsgehalt an Bakschisch investieren? Die Korruption ist teilweise so offen sichtbar, dass einem nur das Kopfschütteln bleibt (zum Glück hat man zumindest als Tourist nichts damit zu tun – solange man keinen Unfall hat und es mit den Behörden zu tun bekommt). Zumindest die wirtschaftliche Entwicklung wird vom Amtsschimmel mehr als nur ein bisschen gebremst, jede Entwicklung wird zunächst fast abgewürgt wenn der Unternehmer nicht extrem gut vernetzt ist, jeder Offizielle will seinen Anteil. Und weiter: Muss man wirklich fünfzehn Kinder zeugen, nur weil die ersten vierzehn Mädchen waren? (In aller Fairness, dieser Trend scheint zurückzugehen, immerhin) Weshalb muss man seinem Nachbarn den Schädel einschlagen, nur weil er zufällig Allah besser findet als Vishnu?

Und dennoch, trotz allen oberflächlichen Chaos, das Bahnsystem ist ungeschlagen effizient (gut, manche Verbindungen könnten etwas häufiger sein und das rituelle „Rugbyspiel“ beim Besteigen unreservierter Wagons – oder Busse – könnte man auch mal zivilisieren, aber egal), Indien ist bei allen Fehlern seit über sechzig Jahren eine zumindest leidlich funktionierende Demokratie – während ihnen 1947 niemand auch nur sechs Monate zugetraut hätte – und die modernen Zentren brauchen sich zumindest wirtschaftlich hinter kaum jemand zu verstecken. Selbst Bettler haben eine unübersehbare Würde und der Familienzusammenhalt ist beeindruckend, die Kinder sind umwerfend – neugierig, lachend, rufend und winkend jedem Fremden gegenüber, mit riesigen braunen Bambiaugen, absolut reizend. Das Land hat traumhaft schöne Seiten und selbst die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln und Gesundheitsfürsorge auch für die Ärmsten scheint Stück für Stück besser zu werden – zumindest wird das Problem, ebenso wie die Korruption, langsam auch an maßgeblichen Stellen angegangen. Zwar mit mitunter mäßigem Erfolg, aber bleiben wir fair.

Zurück zur Frage: Was halte ich nun davon? Ich bin nicht sicher. Ist Indien faszinierend? Nein, dafür ist es zu klar zu benennen. Hochinteressant? Definitiv ja. Anstrengend? Unbedingt! Lohnend? Auf jeden Fall. Es war sicher eine großartige Erfahrung, im positiven wie im negativen Sinne. Man sagte mir mal, dass man Indien entweder liebt oder hasst. Das kann ich nicht bestätigen. Ich habe wundervolle Momente erlebt, phantastische Menschen getroffen, großartige Stätten besichtigt und traumhafte Landschaften gesehen, aber lieben? Nein. Auf der anderen Seite habe ich Situationen erlebt, in denen man allen um sich herum nur die Beine brechen möchte, habe kopfschüttelnd vor sinnloser Ineffizienz gestanden und in erstickenden Abgasen und Dreck in Stadtzentren nach Atem gerungen; in Drecklöchern vor stinkenden Toiletten gestanden und – sozusagen als kleines Auf-Wiedersehen zum Abschluß gestern in Delhi – noch staunend eine kurz vor der Explosion stehende Demo an mir vorbeiziehen sehen, die Atmosphäre extrem aggressiv aufgeladen (später hörte ich von mehreren Toten – aber kein Wort in der Zeitung), aber hassen? Auch nein.

Ich schätze, Indien ist letztlich ein letzter Überlebender von alten Konventionen, mit viel zu vielen Menschen, aber mit einem ungeheuren Potential, menschlich wie auch wirtschaftlich – allerdings will ich nicht wissen was passiert, wenn diese Atommacht mal über ein echtes Problem stolpert. Bis dahin: Das Essen ist klasse, das Wetter gut und das Land schön – man muss nur gegenüber Rikschafahrern hart bleiben, dann schüttelt sich der Rest hin.

Freitag, 18. November 2011

Delhi

Vorweg: Ich mag Delhi, obwohl ich eigentlich nicht recht weiß, warum. Vielleicht weil es bei weitem nicht so chaotisch ist, wie es heißt. Entweder sind der Lonely Planet bzw. die Untergangspropheten unter den Reisenden, die mir von Delhi erzählten, einfach hysterisch oder ich stumpfe langsam ab. Eine absolute Metropole, gespalten zwischen Old und New Delhi – und ich habe ein hervorragendes Hotel genau im gerade noch netten Teil dazwischen gefunden, was es praktisch macht und einem das Geschacher mit den Rikschafahrern erspart (die erstaunlich ruhig gelegenen Zimmern tragen sicher auch zu meinem Wohlgefühl hier bei). Allerdings liegt das Hotel mitten am Touri Ground Zero Pahar Ganj, es erinnert mich ein bisschen an die Kaoh San Road in Bangkok: Billige Hotels, noch billigere Touristenfallen für „originale“ Artefakte und Klamotten aller Art und ein Berg von Rucksackreisenden. An und für sich habe ich da nichts gegen einzuwenden, allerdings habe ich schon frühzeitig den Eindruck gewonnen, dass es in Indien nur zwei Arten von Touristen gibt: Einerseits die wohlsituierte Rentnerklasse im organisierten Trip von (besserem) Hotel zu (besserem) Hotel und andererseits die Rucksackfraktion – die in Indien allerdings mehrheitlich auf esoterisch-verhuschtem Selbstfindungstrip zu sein scheint, bunte Pluderhosen und verklärter Blick auch beim Anblick eines Abwasserkanals inklusive. Soweit, immer noch nicht wirklich schlimm, man muss sich ja nicht unterhalten, aber leider bedeutet das auch unrasierte Damen mit breiten Gesäßen (Die kleine Französin Fanny in Mamallapuram war in der Tat die einzig attraktive Frau westlicher Herkunft, die ich seit Mumbai gesehen habe). Tragisch und nicht sehr ansehnlich, keine Ahnung warum die Inder immer noch so freundlich bleiben.

Wie auch immer, Old Delhi ist so, wie man sich Indien gemeinhin vorstellt: Enge Gassen, überfüllte Basare mit einem Gewusel aus Händlern, Frachtkulis, Fahrrad- und Motorrikschas:


Ein Genuss für alle Sinne, man muss sich nur von dem Gedanken verabschieden, schnell von A nach B zu kommen, der Inder an sich bewegt sich nur bis zu einer gewissen Maximalgeschwindigkeit (die ziemlich niedrig ist) und wenn man Leute im Gewühl überholen möchte bringt man nur alles durcheinander – also einfach aufgeben und sich dem Geschlender anpassen, sonst geht es  an die Nerven! Schafft man die Anpassung allerdings, so bietet sich einem ein wirklich charmanter Spaziergang, mit einem kleinen Snack vom fliegenden Händler an der einen Ecke und einem Tee und einem Schnack mit einem Händler oder den Frachtkulis an der nächsten – mit letzteren kommuniziert man allerdings eher mit Händen und Füssen, mit Englisch haben sie’s nicht so. Dennoch, charmant:


Um wieder etwas zur Ruhe zu kommen bietet sich das Rote Fort an: Ein recht weitläufiger Komplex, weniger massiv als das Fort in Agra und auch weniger prachtvoll, aber dafür mit einem recht gut gepflegten Park versehen, in dem sich die einzelnen offiziellen Palastbauten – eher große Pavillons verstreuen:


Der ganze Bereich ist von einer Art Miniaturkanalsystem durchzogen, das neben dekorativen Zwecken auch als Klimaanlage diente – leider im Moment aber kein Wasser mehr führt. Ein drolliges Detail: Ausgerechnet der Pavillon von Königin Mumtaz wurde zur Zeit des indischen Aufstands 1857 von den Briten als Gefängnis genutzt! (Mumtaz war das Herzblatt von oben genanntem Schah Jahan und der Grund für den Taj Mahal – allerdings wurde der Hof nie wirklich von Agra hierher verlegt, da Sohnemann Aurangzeb seinen Papa, entnervt von den gewaltigen Summen, die der Bau des Taj verschlang, vorher bereits abgesetzt und eingekerkert hatte)

New Delhi und vor allem das Regierungsviertel präsentiert sich dagegen komplett anders. In der Tat gehört es gar nicht zu Indien: Es ist blitzsauber, die Parks sind englisch gepflegt (der ganze Bereich stammt noch aus britischer Zeit), weite Alleen mit üppig grünen Bäumen und wenig Verkehr führen hindurch – und Ampeln werden selbst von Rikschafahrer beachtet. Außerdem herrscht eine erschreckende Knappheit an Chai-Ständen. Nein, dies ist definitiv nicht Indien!

Die Regierung...

...und der Zubringer 

Es ist wirklich eine komplett andere Welt, die Welt internationaler Hotelketten der gehobenen Klasse und westlicher Designerfirmen.

Lediglich im Übergang zwischen Old und New Delhi ist man etwas verloren: 70er-Jahre Kotzbrockenarchitektur wohin man blickt. Auch musste ich etwa 12 Geld-O-Maten abklappern bis sich einer erbarmte und auch Geld ausspuckte. Dazu kommt wieder eine erhöhte Präsenz von Polizei und vor allem Militär. Gut, gerade um den Regierungssitz herum lässt sich das einsehen und auch, dass sie nach dem Bombenanschlag auf das Gericht hier vor zwei Monaten etwas fickerig sind, aber mitunter treibt es etwas seltsame Blüten: Am Bahnhof von New Delhi beispielsweise wird jedes Gepäckstück durchleuchtet – gut und schön, aber da man einen Bahnhof weiter ohne jeden Check einen Pendlerzug besteigen kann und in New Delhi ankommt, kommt mir das etwas wie der übliche blinde Aktionismus amerikanischer Machart vor.

Egal, ich mag es dennoch hier. Aber langsam bin ich wirklich reif für Bali!

Dienstag, 15. November 2011

Unvermeidlich: Agra

Nun bin ich also in Indiens Touristenmetropole schlechthin angekommen. Vorweg: Man kann nicht ganz abstreiten, dass sie das nicht gänzlich zu Unrecht ist.

Im Großen und Ganzen ist Agra bloß eine weitere indische Großstadt, mit lärmendem Verkehr und den üblichen, mehr oder weniger heruntergekommenen Stadtvierteln. Lediglich die Rikschafahrer sind durch die Masse an Touristen zahlreich, so zahlreich allerdings, dass der Konkurrenzdruck extrem ist und die Jungs ganz schön penetrant werden können – wie auch sämtliche Ladenbesitzer in den einschlägigen Gebieten, die einem ständig ihr „Please, come see my shop“ entgegenrufen. Nun gut, mit konsequentem Ignorieren kommt man dennoch gut zurecht.

Die beiden Hauptattraktionen in Agra sind natürlich das imposante Fort und der berühmte Taj Mahal. Und beide sind wirklich etwas Besonderes – allerdings auch reichlich überlaufen.

Der Reihe nach: Mein Wunschhotel war leider ausgebucht, aber deren zweites Hotel hatte noch Platz. Das lag zwar etwas ab vom Schuss, hatte damit aber den Vorteil, dass es etwas ruhiger war und mir ein extrem gemütliches Bett bot (ich bin nicht einen Tag vor zehn aus den Federn gekommen). Außerdem lag an meinem täglichen Weg ins Zentrum das Internet Cafe von Deep – dazu später mehr.

Nachdem ich einen Tag mit orientieren und einigen Besorgungen verbracht hatte war mein erster Stopp das Fort: Knapp zwei Kilometer neben dem Taj Mahal direkt am Yamuna Fluss gelegen, dominieren die beiden die Skyline. Das Fort, dessen Bau Mitte des 16. Jahrhunderts begann, ist aus rotem Sandstein und ein sehr massiver, dominierender Komplex:


Ursprünglich als rein militärische Festung geplant, wurde es etwa hundert Jahre später von Shah Jahan (dem Auftraggeber des Taj Mahal) erweitert und um einen weitläufigen Palast ergänzt. Zwar ist im Inneren des Forts leider nur ein Teil zu besichtigen (der Park und die Mehrheit der Befestigungsanlagen sind aus irgendeinem unerfindlichen Grund nicht zugänglich), der allerdings ist eindrucksvoll: Die früheren Gemächer, die Audienzhallen und Lustgärten des Palasts, das hat schon was:

Die ersten Gemächer…

…und die Audienzhalle

Leider nicht mehr vorhanden ist die „Kette der Gerechtigkeit“: Gleich nach seiner Inauguration befand Shah Jahan dass die Jurisprudenz faul, korrupt oder beides war. Daher ließ er eine massive Kette – angeblich aus purem Gold – mit Glocken daran gleich neben seinen Gemächern installieren, so dass jeder Bürger, egal von welcher Kaste oder welchem Stand, daran rütteln und so das Gehör des Monarchen finden konnte, sollte die Gerichtsbarkeit mal wieder nicht aus dem Tran kommen. Wie viel davon Legende ist kann ich natürlich nicht sagen, aber angeblich formt es immer noch das hohe Ziel der indischen Gerichte – was angesichts der Effizienz (oder genauer: dem Mangel daran) selbiger Gerichte darauf hin deutet, dass die Geschichte wohl ziemlich weitgehend eben nur das ist: eine Legende… Dennoch, eine charmante Anekdote.

Und dann natürlich der Stern des indischen Fremdenverkehrs: Der Taj Mahal. Und ich muss zugeben, der sieht schon ziemlich eindrucksvoll aus:

Das unvermeidliche Touri-Foto

Umgeben von einem großen, sauber gepflegten Park und umschlossen von einer hohen, ebenfalls roten Sandsteinmauer liegt dieses marmorne „Monument der Liebe“ – ein Psychologe würde wohl eher sagen, dass der gute Shah wohl so seine Schwierigkeiten mit dem Loslassen hatte… Egal, das Gebäude ist auf jeden Fall beeindruckend. Zwar komplett von Touristen aller Couleur überrannt, aber durchaus schön. Die Geschichte dazu brauche ich wohl nicht zu wiederholen, aber was mir auffiel war, dass entgegen sonstiger Gebäude, Paläste und Tempel bemerkenswert wenig figürliche Dekoration den Taj ziert, das meiste sind Intarsien von Pflanzen und arabischen Schriftzeichen:


Das hat mich ein wenig überrascht, aber durchaus im positiven Sinne, es gibt dem Gebäude tatsächlich etwas Sakrales.

Weniger sakral: Um das Gebiet des Taj herum sieht man zum ersten mal eine hohe Militärpräsenz, überall stehen Posten mit automatischen Waffen, das kenne ich so nur aus Südamerika. Vielleicht glauben sie, die Pakistanis messen dem Taj strategische Bedeutung zu, ich weiß es nicht.

Mein persönliches Highlight lag allerdings zwischen Taj und Fort am Flussufer: Unbemerkt von den Touristenströmen liegt dort eine „Beerdigungsstätte“ der Hindus, sprich ein Open Air Krematorium. Hier werden Leichen im Akkord verbrannt – was mir die Mühe erspart mir das Ganze in Varanasi anzusehen. Mit so etwas wie morbider Faszination konnte ich beobachten wie auf einer Basis von getrockneten Kuhdungfladen die Scheiterhaufen aus Holz und Reisig aufgebaut wurden. Ohne großartige Zeremonie wir der Tote platziert, etwas mehr Holz, Reisig und Grillanzünder drauf, und los geht’s. Lediglich ein paar Spritzer eigens importiertes heiliges Gangeswasser wird von der Familie drauf gesprenkelt, dann schlagen auch schon die Flammen hoch:

Eins…

…zwei…

…und drei

Die Asche und was von den Knochen übrig bleibt wird danach von den Angestellten sang- und klanglos im Yamuna verklappt. Was ich allerdings mit großer Dankbarkeit sagen kann ist, dass sie hier wenigstens ein sehr aromatisches Holz und eine Art parfümierten Brandbeschleuniger benutzen, dadurch riecht es lediglich nach gutem Lagerfeuer und der erfahrungsgemäß widerwärtige Geruch von verbranntem Fleisch ist kaum wahrnehmbar - lediglich das vernehmbare "Plop", wenn der Kopf der Leiche in der Hitze platzt, ist etwas verstörend...

Und nicht zuletzt fand ich durch die Lage meines Hotels einen sehr interessanten Gesprächspartner: Deep ist ein älterer Herr, der ein Internet Cafe und ein Dachrestaurant betreibt. Wir kamen ins Gespräch und daraus entwickelte sich ein allabendlicher Exkurs um die Welt, mit abwechselnden Anekdoten seinerseits und meinerseits was man hier und da so erlebt hat – Deep hat in den Siebzigern eine Weile in Deutschland gelebt, bevor er für eine Weile in die Staaten zog, erschwindelte Green Card durch Scheinehe inklusive. Ein sehr liebenswerter alter Herr, der die Abende im ansonsten recht trostlosen Agra sehr unterhaltsam machte.

Jetzt steht für mich noch ein Tag faulenzen an, dann geht es hinein ins Chaos von Delhi.

Donnerstag, 10. November 2011

Jaipur


Jaipur wird auch die „Pink City“ genannt, aber das scheint mir ein wenig veraltet, die Altstadt ist zwar weitestgehend in etwa in pink gehalten, allerdings ist es mittlerweile ein wenig verwaschen und eher orange-rot – aber nicht ohne Reiz.


Die Altstadt macht den Eindruck als wäre sie ein einziger großer Basar, chaotisch, bunt und voller Leben. Hier wird so ziemlich alles gehandelt, von Schmuck und Stoffen – für die Jaipur berühmt ist – bis hin zu Wasserhähnen, Gewürzen, Spielzeug, allen möglichen Lebensmitteln, Motorrädern, Klobürsten und Eisenwaren. Wenn man eine Weile sucht, wird man wahrscheinlich auch einen mittelgroßen Flugzeugträger erwerben können, eventuell sogar zu einem Angebotspreis.


Ich finde es relativ klasse, bloß leider extrem staubig! Naja, und der Verkehr ist eben der einer klassischen indischen Großstadt, laut und stinkend.

Einige hübsche Ecken gibt es in der Altstadt, abgesehen vom Basar. Vor allem die Hawa Mahal steht vorne an, eine Ergänzung zum etwas arg teuren City Palace:


Und wie immer gibt es einen Hausberg mit Fort, wiederum erreichbar über einen längeren, steilen Weg in der prallen Sonne, aber der Palast im Fort ist nicht schlecht und der Blick entschädigt mal wieder für vieles:

 
Ein Detail an Jaipur ist besonders: Es gibt hier eine Kooperative, die gezielt Witwen beschäftigt. Witwen haben in Rajastan einen besonders schweren Stand, sie werden zwar mehr oder minder von den jeweiligen Familien aufgenommen, werden aber meist nicht zur Arbeit gelassen und haben damit wenig Chancen, sich und ihre Kinder zu versorgen. Die Kooperative bedeutet eine Alternative, interessanterweise sogar bedingt von der Regierung subventioniert – endlich mal Regierungsgelder, die dort ankommen, wo sie gebraucht werden und nicht irgendwo versickern.

Und bereits am ersten Tag wurde ich gewissermaßen von Rajit und seiner Familie „adoptiert“. Ich lernte ihn zufällig auf der Straße kennen und wir tranken Chai in seinem Textilienladen. Da die Familie muslimisch ist, damit die Gesetze der Gastfreundschaft hoch hält und es die Zeit des muslimischen Opferfests ist, wurde ich gleich zum Abendessen mit der Familie eingeladen. Sehr freundlich und hochinteressant, samt religiöser Diskussion (wiederum großer Unglauben in der Runde als ich erwähnte nicht religiös zu sein, aber keine Ablehnung). Lediglich als mir Rajit erzählte er sei verlobt, kenne seine Zukünftige aber nur vom Telefon und habe sie noch nie gesehen – selbst das Telefonieren sei ungewöhnlich – musste ich mir doch arg auf die Lippen beißen, um das nicht entsprechend zu kommentieren (Meine Gedanken waren etwa: "Arrangierte Ehe? Sag mal, vor die Wand gerannt?? Geht's noch??"), aber ich war schließlich Gast und so äußerte ich meine Vorbehalte etwas vorsichtig… Dennoch, der Abend an sich war eine großartige Erfahrung.

Sonntag, 6. November 2011

Bundi


Bundi ist eine kleine Stadt im Südosten Rajastans und auf eine charmante Art ranzig, im Kern eine etwas heruntergekommene, aber hübsche Altstadt, dominiert vom alten Palast und dem Fort auf dem Berg im Norden. Sicherlich liegt mein empfundener Charme auch daran, dass ich mich wohl mittlerweile an offene Abwasserkanäle und ähnliches gewöhnt habe, aber irgendwie mag ich es hier, nicht zuletzt die vielen rührenden Kinder, immer winkend und rufend:


Der über allem herrschende Palast ist ebenfalls lange Zeit einfach dem Verfall hingegeben worden und hat lediglich einer Menge Fledermäuse eine Heimstatt geboten – und so riecht er auch wenn man ihm näher kommt. Er wurde erst kürzlich wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Daher ist er immer noch in etwas schäbigen Zustand, aber das erhöht nur seinen Charme: Im Gegensatz zum City Palace in Udaipur zum Beispiel hat man ihn fast für sich, es sind kaum Touristen unterwegs. Dennoch findet man auch hier diverse Wand- und Deckenmalereien, mit den üblichen Schlacht- und Hofszenen und natürlich den unvermeidlichen Gottheiten sowie einen hübschen Garten. Auch die Architektur hat die Zeit bemerkenswert gut überstanden und vermittelt eher noch einen Hauch von Nostalgie.


Auch mein Hostel war wieder ein Glücksgriff, direkt an einem Reservoir gleich vor den Toren der Altstadt gelegen, mit einem wundervollen Garten:

 Mein Blick beim Frühstück über das Reservoir…

…und den Palast

Wenn man durch die Altstadt dem Verlauf des Berges folgt kommt man zu einem großen Reservoir, überwachsen mit Seerosen. Leider gibt es dort kein Cafe am Ufer – das wäre hervorragend gewesen. Dennoch, nett:


Wenn man den Blick vom Fort aus genießen will muss man allerdings etwas kämpfen: Der Weg den Berg hinauf ist ziemlich steil, die Steine sind rutschig und Schatten kann man so ziemlich vergessen. Wenn man allerdings oben angekommen ist teilt man sich das ziemlich verfallene Fort nur mit den Makaken (die allerdings recht penetrant werden können, einen Stock sollte man mitbringen um all zu übermütige Exemplare in die Schranken zu verweisen). Aber der Blick über Bundi, den Palast und das Tal mit dem Reservoir entschädigt für so einiges:


 
Generell, Bundi hat was. Ich traf einige nette Backpacker im Hostel und wir erkundeten den Markt – an jedem Stand erwarben wir die jeweilige Spezialität, ein lukullischer Hochgenuss für kleines Geld. Mittlerweile bin ich auch von der Verdauung her zuversichtlich, derartiges unbeschadet zu überstehen. Auf Holz geklopft: Mich hat die indische, nun ja, Scheisserei immer noch nicht erwischt!

Auch traf ich letztlich Sonu und Dilip, die beiden Jungs die mich eigentlich vom Zug abholen wollten. Sehr nette Burschen und sehr nette abendliche Schnacks, die mir noch einmal ein Level mehr an Hintergrundwissen über die indische Gesellschaft und auch über die gelebte Religion im Alltag gegeben haben – hochinteressant, aber sicherlich nicht dazu angetan mich vom Hinduismus zu überzeugen.

Auch scheinen mir die Menschen hier im Norden generell attraktiver als im tamilisch dominierten Süden: Wenige Schnurrbärte bei den Männern und wesentlich hübschere Gesichter und schlankere Körper bei den Frauen.

Für die letzten Tage lasse ich es jetzt auch langsamer angehen, viele Ziele habe ich nicht mehr auf der Liste und ganz ehrlich, ich muss auch nicht mehr jeden Tag woanders sein, Reisen in Indien schlaucht doch irgendwie und wenn es irgendwo nett ist, was soll die Hast?

Donnerstag, 3. November 2011

Auf dem Weg nach Bundi


Also, die Zugfahrt nach Bundi hatte etwas Surreales. Sie dauert normalerweise etwa vier Stunden und ein bisschen, aber als wir nach zwei Stunden Chittorgarh erreichten hieß es plötzlich der Zug sei gecancelt – die Weiterfahrt fiel einfach aus! Man stelle sich vor man ist auf dem Weg von Hamburg nach Köln und plötzlich heißt es in Hannover: Endstation, alles aussteigen, seht zu, wo ihr bleibt. Erst nach einigen Stunden – mittlerweile in einem mäßig charmanten Hotel in Chittor, aber immerhin problemlos erreichbar und nicht ausgebucht (man muss sich auf die positiven Seiten konzentrieren) – fiel mir auf, dass ich nicht einmal nach dem Grund gefragt habe. Manche Dinge akzeptiert man einfach, wenn man in Indien reist, und fügt sich ins Unvermeidliche. Dennoch, es bleibt irgendwie schräg. Dabei sollte ich eigentlich von einem Freund von Herri un Cecile, dem ziemlich netten indisch-franzoesischen Wirtspaar meines Hostels in Udaipur, am Bahnhof in Bundi abgeholt werden, aber dank des mir nach wie vor schleierhaften Telefonsystems in Indien – oder genauer, dessen Mangel – konnte ich nicht einmal kurz anrufen um zu sagen, dass er sich den Weg zum Bahnhof sparen könne.

Auch die Weiterfahrt am nächsten Tag zog sich etwas hin: Es fuhr nur ein lokaler Zug, was so viel heißt, dass er an jedem dickeren Kaktus hält, mitunter sehr lange wegen entgegenkommender Züge. Schlussendlich brauchten wir für die 140 Kilometer sagenhafte viereinhalb Stunden. Dennoch, da ich tagsüber losfuhr konnte ich das imposante Fort auf dem Berg von Chittorgarh zumindest aus der Ferne sehen – ein ziemlich beeindruckender, weitläufiger Komplex, der vielleicht sogar eine weitere Übernachtung rechtfertigt hätte. Auch die Landschaft ist eine Reise bei Tageslicht wert: Es ist deutlich trockener geworden, wenn auch nicht ganz wie in den Wüsten im Westen von Rajastan, aber bei weitem nicht mehr so üppig wie in Kerala oder Karnataka. Immer noch erstaunlich grün, wenn auch eher ein staubiges Grün, nicht mehr das satte, üppige Grün der südlichen Provinzen, gleicht die Landschaft eher einer Savanne. Man fährt zwar immer noch an recht vielen Tümpeln und kleinen Flüssen vorbei – Überbleibsel des Monsuns – aber es mutet sicherlich nicht mehr tropisch an. Dennoch, es lädt zum Ausdemfenstersehenundträumen ein.


Die Luft allerdings ist wirklich staubtrocken, die Nasenschleimhäute fühlen sich an wie Sandpapier und jeder Atemzug scheint die Kehle rau zu machen.

Dienstag, 1. November 2011

Versackt...


Nun habe ich eine komplette Woche in Udaipur verbracht. Irgendwie war es zu charmant, einfach und gemütlich – und manchmal muss man eben auch mal eine Pause einlegen.

Aber bei so einem Panorama kann man ruhig mal ein paar Tage einfach nur lesend verbringen:


Freitag, 28. Oktober 2011

Udaipur


Udaipur wird häufig als die romantischste Stadt Indiens bezeichnet – und ich muss sagen, der Ruf scheint wohlverdient. Die Architektur erinnert sehr an Marokko, die Häuser haben kleine Alkoven mit verzierten Arkaden, die kleinen Gassen entlang der Teehändler sind verwinkelt. Es ist traumhaft. Dazu kommt die Lage: Zwischen Hügeln gelegen grenzt die Altstadt an mehrere zusammenhängende Seen, über allem thront der phantastische City Palace und auf dem größten See glitzern zwei weitere Paläste auf Inseln, ein Panorama zum Genießen.

Ich fand ein großartiges Hostel auf der etwas ruhigeren Seite gegenüber, mit einem sagenhaften Blick über Palast und See, der besonders in der Abenddämmerung einfach ein Traum ist:


Aber auch aus der Nähe ist der Palast einen Besuch wert, der weitläufige Komplex ist umwerfend: Verwinkelte Gänge führen zu Höfen und versteckten Brunnen, prächtigen Residenzzimmern und Privatgemächern mit großartigem Blick über den See und die Stadt. Allein die Fassade ist beeindruckend:

  
Aber auch sonst lädt Udaipur zum Flanieren ein, entlang des Sees zu einem Reservoir mit Pavillion oder einfach durch die belebten Gassen.


Weiter an den Seen entlang entkommt man dem Trubel der Altstadt, entlang schattiger Alleen leisten einem nur noch die Affen Gesellschaft.

Und wem das noch nicht genug ist: Auch cinematographisch ist man hier auf geweihtem Boden, der (zugegebenermaßen mäßige) James Bond Streifen ‚Octopussy’ wurde größtenteils hier gedreht. Allerdings ist es auch ein sehr beliebtes Ziel für Touristen und ein Großteil der Altstadt besteht aus den üblichen Verdächtigen von Devotionalien Shops. Einerseits natürlich unwillkommen, andererseits bin ich aber auch nicht ganz unglücklich nicht mehr das einzige weiße Gesicht auf der Straße zu sein (in Jalgaon ging das so weit, dass im Restaurant ein Vater mit seiner Tochter auf dem Arm an meinen Tisch trat und fingerzeigend dem Nachwuchs erklärte, dass das einer von diesen komischen Westlern sei – wie im Zoo).

Und mein Timing stimmt auch: Momentan findet das hinduistische Diwali Fest statt, mit dem die Rückkehr des Gottes Rama gefeiert wird. Es ist ein sehr positives, optimistisches Fest, die Menschen freuen sich, es werden massenweise Süßigkeiten verteilt, es gibt Feuerwerk und es werden Lampions auf dem Wasser schwimmen gelassen. Besonders letztere beiden sind natürlich besonders willkommen in einer so schönen Stadt mit See:

Nun gut, die Lampions auf dem Wasser sind jetzt nicht so gut zu erkennen, man vertraue mir einfach

Und das alles direkt vom Dach meines Hostels zu beobachten während man träge in einem gemütlichen Korbstuhl sitzt, ein paar Seiten im Buch liest, ab und an mal hochguckt und am Bierchen nippt während man den Blick genießt – besser geht’s kaum.

Dann noch ein kleines Abenteuer: Ich wollte die umliegenden Hügel ein wenig per Pferd erkunden, hatte aber das Pech ein derartig zickiges Biest abzubekommen, dass sich ein entspanntes Reiten wie in Chile oder Neuseeland leider nicht einstellen wollte – ich musste das Viech permanent fast schon brutal an die Kandarre nehmen, weil es ständig durchgehen wollte. Schade, ihm hat’s bestimmt auch nicht gefallen, aber das hat es nun davon wenn es sich nicht benehmen kann, ich hatte höflich angefangen. Ob das nun daran liegt, dass das Mistvieh nur einen schlechten Tag hatte oder ich eben doch nur ein Schönwetterreiter bin lass ich mal dahingestellt, wenigstens hat es mich nicht abgeworfen, auch nicht im gestreckten Galopp – immerhin was. Aber so ganz das, was ich mir vorgestellt hatte war’s dann doch nicht.

So oder so ist Udaipur aber definitiv eine meiner Lieblingsecken bisher, ich fühle mich sehr wohl hier und dehne meinen Verbleib immer mal wieder einen Tag aus.