Samstag, 16. Juli 2011

Unterm Strich...

…ist Kolumbien ein phantastisches Land! Ich möchte fast so weit gehen und sagen, von den Ländern, die ich in Südamerika gesehen habe, ist es mein Favorit. Die Landschaft ist abwechslungsreich – und ich habe ja noch nicht einmal alles gesehen – und traumhaft schön. Hinzu kommt dass die Kolumbianer außergewöhnlich freundlich und aufgeschlossen sind (und sogar ein recht verständliches Spanisch sprechen). Ich hatte den Eindruck dass die meisten Kolumbianer auf der Gehaltsliste des Tourismusministeriums stehen, alle schienen einen möglichst positiven Eindruck von ihrem Land hinterlassen zu wollen. Das gelingt ihnen auch. Selbst in den Ecken, die etwas „dodgy“ wirken fühlte ich mich durchaus wohl und traf auf hilfsbereite und freundliche Menschen. Nach Jahren der „Violencia“, dem Bürger- und Drogenkrieg, geht ein richtiges Aufatmen durch die kolumbianische Gesellschaft und die Leute scheinen sich einfach an neu gewonnenen Freiheiten und Sicherheiten zu erfreuen – und diese Freude spürt man. Besonders Cartagena wird mir immer sehr positiv in Erinnerung bleiben. Selbst die Nervensägen, die einem nachts alles andrehen bzw. organisieren wollen – sie behaupten grundsätzlich sie „haben alles“, sprich leichte Damen oder die beste Party, wo auch „Charlie“ vorbeikommen würde (Charlie ist Kokain) – selbst diese sind irgendwo lustig, zumindest nicht aggressiv, was im Vergleich zu dem ein oder anderen sonstigen Land schon mal ein Fortschritt ist.

Dennoch, es wäre naiv zu glauben, dass sich alle Probleme in Luft aufgelöst hätten. Natürlich gibt es in einigen Ecken noch Probleme mit der Guerilla, allerdings ist diese lange nicht mehr so einflussreich wie noch vor fünf Jahren und von einer dominanten oder gar kontrollierenden Rolle selbst in den gefährlichen Gebieten weit entfernt. Der gegenwärtige Präsident Juan Manuel Santos macht anscheinend einen hervorragenden Job in Sachen Korruptionsbekämpfung – was besonders deshalb interessant ist, da er eigentlich ein Vertrauter Alvaro Uribes war und durch dessen reichlich korrupte Seilschaften erst an die Macht gekommen ist. Einmal im Amt hat er sich aber schnell als selbstständig und durchsetzungsfähig erwiesen: Vorher unantastbare Personen fanden sich plötzlich vor dem Haftrichter wieder. Auch die reizende Anwandlung des kolumbianischen Militärs, unbescholtene Menschen zu entführen, zu erschießen, in Tarnklamotten zu stecken und Kopfgeld für erlegte Rebellen zu kassieren, wird mehr und mehr aufgeklärt und selbst hochrangige Militärs landen im Knast. Klingt eigentlich fast zu gut um wahr zu sein – man darf also gespannt sein, wie er sich weiter macht, der Zyniker in mir bleibt natürlich skeptisch.

Und natürlich stellen insbesondere Kokain und Konsorten nach wie vor ein großes Problem dar, der Anbau geht natürlich weiter (die Nachfrage lässt ja nicht nach), mit allem was daran hängt, von Korruption bis Gewalt. Lediglich als Tourist merkt man davon eigentlich nichts, bis man anfängt ein wenig zu stöbern. In manchen Kleinstädten sieht man dann doch plötzlich nagelneue schwarze Geländewagen mit betont lässigen jungen Männern besetzt, die da irgendwie nicht hinpassen. Auch wenn man sich mit dem ein oder anderen Kolumbianer mal länger unterhält – ich hatte gerade in San Gil und Villa de Leyva die Gelegenheit – werden sie bei manchen Themen plötzlich sehr still und erst nach längerem, wenn sie Vertrauen gefasst haben, hört man die Details von Erpressung und Gewalt – klingt blöd, war aber tatsächlich so. Dies gilt besonders für kleinere Orte in der Nähe der einschlägigen Anbaugebiete, in den junge Menschen kaum eine Chance haben dem Milieu komplett zu entkommen – es sei denn sie verlassen ihr Dorf. Wie gesagt, als Tourist kriegt man davon allerdings kaum etwas mit (wenn man nicht konkret guckt) und es ist auch auf bestimmte Gegenden beschränkt, aber eben auch noch nicht aus der Welt.

Auch gibt es einige Spannungen zwischen den vornehmend weißen (oder hellbraunen) Bewohnern der höheren Lagen, den Cachacos, und den eher dunklen Leuten an der Küste, den Costenos. Während die Cachacos weitestgehend Wirtschaft, Politik und Polizei/Militär kontrollieren, sind die Costenos eher am anderen Ende der Nahrungskette angesiedelt. Bisher funktioniert das Zusammenleben – von einer gewissen Arroganz der Cachacos abgesehen – recht reibungslos, aber wie lange noch? Ich unterhielt mich mit einem recht erfolgreichen Cachaco, einem Reishändler aus Bucaramanga, dessen Ansichten grenzten fast an Rassismus. Nicht so schön. Auch muss man leider sagen, dass an der Küste – im Hochland interessanter weise nicht – ein klares Müllproblem besteht. Wie ich schon in Bolivien merkte haben manche Leute einfach keinerlei Verständnis für das Prinzip „Man kann das auch mal nicht einfach in die Heide kippen“ – sehr schade, weil wirklich schöne und schützenswerte Biotope einfach versaut werden, vor allem mit Plastikmüll.

Es ist also noch viel nötig um Kolumbien wirklich zu erneuern, aber dennoch, mir hat es ganz großartig gefallen und es ist definitiv eins der Länder, das ich noch einmal intensiver bereisen möchte, vielleicht mit eigenem Wagen (ok, ein geländegängiger sollte es schon sein), einfach um flexibler und nach seinem eigenen Rhythmus reisen zu können und auch kurze Stops auf dem Weg zu erlauben – etwas, das mir auf Busreisen immer gefehlt hat, und sei es nur für ein kurzes Foto oder einen Kaffee.  Also, gerne wieder.

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