Sonntag, 19. Juni 2011

Cuyabeno oder: Ich als Dschungelkämpfer

Vorweg: Wenn du ein Problem mit Spinnen hast, dann ist der Dschungel nichts für dich!

Aber der Reihe nach: Wieder war es eine der Über-Nacht Busfahrten – langsam habe ich genug davon – die mich von Quito nach Lago Agrio brachte. Bereits im Tiefland gelegen ist hier der Ausgangspunkt zum Cuyabeno-Reservat. Guide Miguel holte die Gruppe ab, nach zwei weiteren Stunden im Minibus wechselten wir in ein Langboot um den Rio Cuyabeno hinab zu fahren: Etwa zehn bis fünfzehn Meter braunes Wasser, umschlossen vom undurchdringlichen Dschungel – und das ist nicht so einfach dahingesagt, die Vegetation ist wirklich dicht:


Die Fahrt zog sich etwas hin, schon auf dem Weg haben wir diverse Tierarten bewundern können, Affen, Anacondas, farbenprächtige Vögel und Schmetterlinge. Etwas weiter flussabwärts wird das Wasser langsam schwarz, kurz vor unserem Camp tut sich eine Lagune auf – was inmitten des Regenwalds faszinierend wirkt: Der dichte Wald öffnet sich zu einer weitläufigen Wasserfläche samt Flußdelphinen. Die Lagunen sind allerdings nur zeitweise überflutet, so dass überall Baumwipfel aus dem Wasser ragen und ein wahrhaft magisches Bild in der Nachmittagssonne abgeben:


Glücklicherweise ist das Wasser hier durch die ausgewaschenen Mineralien relativ sauer – glücklicherweise deshalb, weil in dieser Wasserqualität die Larven der Malaria-Mücken nicht gedeihen können und es in dieser Hinsicht unproblematisch ist. Generell waren angenehmerweise weniger Moskitos unterwegs als ich befürchtet hatte – was gegebenenfalls aber auch an den oben erwähnten Spinnen liegt.

Unser Camp bestand aus Bambushütten mit Palmblattdächern, gelagert auf Stelzen. Letzteres deshalb, weil es schon einen Grund hat weshalb es Regenwald heißt, der Boden war teilweise überschwemmt, nachts waren regelmäßig die Kaimane zu Besuch – was sehr faszinierend ist: Man tritt aus dem „Bungalow“, lehnt an der Brüstung für ein letztes Guten-Abend-Bier, blickt hinab und ein Kaiman blinzelt zurück. Glücklicherweise sind Kaimane nicht besonders groß, eigentlich ziemlich scheu und für Menschen gänzlich ungefährlich, was die Sache eher charmant als ängstigend macht.


Tagsüber waren wir viel mit dem Langboot unterwegs, den Fluss auf und ab. Der Ruf des Regenwalds, eine gewaltige Vielfalt an Tieren zu beherbergen ist wohlverdient: Um nur einige zu nennen haben wir diverse Affenarten, Papageien, Tukane, Anacondas, Boas, Falken, unzählige weitere Tropenvögel (ich konnte unmöglich die Namen behalten), wie gesagt Delphine und farbenprächtige Schmetterlinge gesehen – letztere zum Teil mit einer Spannweite von zwanzig Zentimetern und schimmernd blau, wunderschön.

Viel Grün!

Für Fotos war meine Kamera mal wieder ungeeignet, aber vielleicht kann ich noch ein paar Bilder besorgen, einige meiner Mitreisenden hatten ziemlich extravagante Kameramodelle dabei.

Überhaupt, die Gruppe war wieder mal sehr nett, besonders eine indische Familie, lebend in Kalifornien, ist erwähnenswert: Nicht nur war Vater Raminder ein sehr angenehmer Gesprächspartner, besonders Sohnemann Ischan – fünfeinhalb und sehr plietsch – sorgte dafür, dass es sicherlich nicht langweilig wurde; der kleine Bursche konnte einen ganz schön in Atem halten! Aber sehr charmant. Und Guide Miguel war ohnehin sehr versiert – wo der immer wieder ein besonderes Tier oder eine nützliche Pflanzenart ausmachte war schon beeindruckend, ich sah immer nur eine grüne Wand…

Der wahre Star des Regenwalds sind allerdings die Insekten und Spinnen. Wie gesagt, mit Arachanophobie ist man hier deplaziert, unter jedem Blatt sitzen sie. Gut, dass ich damit nicht so die Probleme habe!

Eine kleine Tarantel...

...und ein komisches Getier mit gelbem Rücken.

Besonders beim Durchfahren etwas engerer Passagen war es mitunter etwas intensiv: Wenn man per Paddelkanu durch einen überhängenden Busch fährt darf man sicher sein ein gutes Dutzend der Biester im Schoß zu finden – allerdings keine Taranteln, und netzbauende Spinnen sind ungiftig, also alles ok.

Außerdem gibt es eine Menge Feuerameisen – fies! – und eine faszinierende Wespenart: Die „Marching Wasp“ sitzt friedlich in ihrem Nest, bis man ein bisschen Lärm macht; dann fängt das gesamte Wespenvolk an ein Warnsignal zu senden und zwar, indem es im Nest sitzend rythmisch die Körper bewegt – das klingt tatsächlich wie das „Rapp-Rapp-Rapp“ einer marschierenden Armee, faszinierend!

Eine bisschen Kultur musste auch sein: Wir besuchten ein Dorf der örtlichen „Ureinwohner“ – oder wie auch immer man die heutzutage politisch korrekt zu nennen hat – was schon interessant war: Nicht, dass sie halbnackt herumliefen oder in Palmhütten wohnten (im Gegenteil, ganz normal in Jeans und T-Shirt, wohnend in Holzhütten – aber dennoch vom und mit dem Wald lebend. Unter anderem zeigte uns ein junges Mädel, wie man aus der Yuka-Wurzel Brot macht – gar nicht so besonders, man muss nur wissen, wie. Außerdem lag natürlich ein Besuch beim örtlichen Schamanen an, der sich unter Zuhilfenahme einiger halluzinogener Drinks aus Pflanzen in die Lage versetzt, Kranke zu diagnostizieren und Medizin, gewonnen aus den Pflanzen des Waldes, zu verschreiben. Ob die Halluzinogene nötig sind oder nicht, die Naturmedizin ist größtenteils auf jeden Fall wirksam, moderne Pharmaunternehmen sponsern einiges an Forschung im Regenwald der Region.

Tomas, der Schamane

Eines durfte natürlich nicht fehlen: Die Piranhas. Entgegen ihrem Ruf sind die eigentlich recht harmlos, man kann problemlos überall schwimmen – die Piranhas stehen normalerweise nur auf totes Fleisch. Ein bisschen Angeln musste sein – und ich hatte sogar Petri’s Heil:

Selbstgefangen!

Was aber etwas komisch ist: Man hat eigentlich keine wirkliche Vorstellung davon, wie weit der Dschungel eigentlich ist. Da es praktisch keine Anhöhen gibt, gibt es auch keine Möglichkeit, groß über das Dach der Bäume hinaus zu blicken. Prinzipiell könnte also zweihundert Meter weiter die nächste Siedlung liegen. Nur in der Nacht, wenn man nur die Insekten, die nachtaktiven Vögel, hier und da eine Kröte oder ein unidentifizierbares Schmatzen oder Plätschern hört, aber keinerlei Geräusch menschlichen Ursprungs, dann wird man sich gewahr, wie weit der Regenwald ist. Aber weit sehen kann man wirklich nicht:

Ich im Wald

Nach fünf faszinierenden, ruhigen Tagen war es Zeit für die Rückfahrt, diesmal tagsüber – zum Glück, denn Licht und Panorama auf der Fahrt hinauf in die Anden waren mal wieder wunderschön:


Nur dass sie im Bus den alten Schinken „Anaconda“ – ein ausnehmend mieses Machwerk über eine Monsterschlange im Amazonas – zeigen mussten, war überflüssig…

Und noch ein letztes Lagunenfoto:


Nun bin ich das Wochenende noch in Quito, Montag eht es dann weiter nach Bogota, ich bin mal wieder gespannt.

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