Samstag, 30. April 2011

Potosi

Potosi hat mich mit Bolivien im Sinne der Lebensqualität wieder ein wenig versöhnt: Während die bisherigen Hostels ja eher bescheiden waren und die umliegenden Ortschaften nicht gerade beeindruckend, war Potosi wieder sehr angenehm. Eine niedliche Altstadt, ein nettes Hostel und auch mal wieder die Möglichkeit, in einem beheizten Raum zu sitzen! Auch gibt es hier einige nette Bars und Restaurants, die den Abend nett machen.

Der wirkliche Punkt an Potosi sind allerdings die Minen: Nachdem die Silbervorkommen Potosi in früheren Jahrhunderten zu einer der reichsten Städte Südamerikas gemacht hatten – und zum wahrscheinlich größten Leichenberg, da die Minen mehrheitlich von indigenen Zwangsarbeitern ausgebeutet wurden, die dabei wie die Fliegen draufgingen – sind die Vorkommen an Silber weitestgehend durch, allerdings graben Arbeiter immer noch nach anderen Metallen wie Zink etc – und das unter unvorstellbaren Bedingungen! Durch die giftigen Stäube und Gase sind die meisten von ihnen krank, sie arbeiten außerdem im Kollektiv, ohne eine dahinter stehende Firma – wird nichts gefunden gibt es eben kein Geld – und die Schächte sind eine ständige Gefahr, eng, niedrig und feucht. Natürlich ist dort nichts gesichert und die Schächte liegen derartig kreuz und quer, man muss mitunter steile Leitern hinab, um dann eine Weile auf dem Bauch zu rutschen um dann wiederum gebückt weiter zu kriechen.

Dennoch, man kann diese Minen besichtigen, eine wirklich besondere Erfahrung. Ich hatte mit der Enge, Feuchte und schlechten Luft zum Glück kaum Probleme, die Abstiege haben sogar Spaß gemacht – wenn man nicht täglich so arbeiten muss, natürlich. Man trifft „unter Tage“ dann auf die Mineros, denen man vorher Koka-Blätter und 96%tigen Alkohol als Mitbringsel gekauft hat. Einmalig wurde die Sache für mich als die Guides – ebenfalls Ex-Mineros und den Kumpeln eng verbunden – die Gruppe unter Leitung des einen weiterschickten, aber aus irgendeinem Grunde meinten, ich könne noch da bleiben. Ich sass also mit zwei Ex-Mineros und dreien, die es noch sind für ein paar Stunden in einem steinigen Schacht, man unterhielt sich und trank – immer einige Tropfen zuerst auf den Boden für „Pachamama“ – Mutter Erde – und El Tio – dem Teufel des Berges. Das nehmen sie extrem ernst, ohne diese Opfer würde es zu Unfällen und mangelnder Ausbeute kommen – da ist man sehr kritisch! Und immer mir rechts trinken!

Was mich sehr beeindruckt hat ist die Tatsache, dass die Mineros in keiner Weise mit ihrem Schicksal hadern – die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 35 Jahren!! – sondern im Gegenteil mit großem Stolz auf ihre Gruppe blicken, die für viele praktisch die Familie darstellt. Nun ja, eignetlich wollte ich nicht wirklich viel trinken, aber wenn einem als Tourist von einem etwa 50-jährigen Minenveteranen, der irgendetwas zwischen Quetschua (dem hiesigen Indio-Dialekt) und Spanisch sabbelt, gesagt wird, dass man jetzt zur Minero-Familie gehört – was denen wirklich nicht als Floskel von den Lippen kommt! – dann kann man schwer nein sagen.

Mit den Jungs, leicht angeschickert - man beachte die Beule der Kokablätter im Mundwinkel.

Letztlich war ich über fünf Stunden im Schacht, nervös wurde ich nur als einige Dynamit Sprengungen hörbar näher kamen und langsam einige Steinbröckchen von der Decke bröselten… Aber da besagter Veteran in keiner Weise unruhig wurde habe ich dann eben auch die Ruhe gehabt. Allerdings gingen wir dann doch sehr vorsichtig nach draussen, man muss in der Mine sehr auf die Luft achten, da einige Gase recht schnell recht tödlich sein können, insbesondere nach der Sprengung..

Aber alles gut, die Erfahrung war schon etwas sehr besonderes. Fotos gibt es immer noch nicht...

1 Kommentar:

  1. Hey Chrischi, so mit Lampe auf dem Kopf und 96 Prozent Fusel intus sieht man Dir die Bergbaukompetenz doch deutlich an! Ich wäre vor Platzangst gestorben auf dem Bauch durchunterirdische Gänge zu robben! Ein bestimmt intensives Erlebnis! übrigens in Equador hatten sie Vulkanausbrüche! Also halte die Ohren steif, Katastrophensucher!!! Ingo

    AntwortenLöschen