Sonntag, 8. Mai 2011

La Paz

Schon die Busfahrt hatte etwas Eigenwilliges: Prinzipiell ein brandneuer Bus – ich hatte sogar hinreichend Beinfreiheit! – und ein netter Blick direkt voraus. Im Grunde stand einer entspannten Fahrt über Nacht nichts im Wege. Was sie aber hätten erwähnen können ist, dass sie die Heizung auslassen! Da ich ganz vorne saß wurde es so ab zwölf Uhr nachts reichlich schattig im Waggon – und es waren noch sieben Stunden zu überstehen…

Egal, ich habe mir keine Erkältung zugezogen, also alles halb so wild.

Was ich jetzt von La Paz halten soll, weiß ich allerdings nicht so genau. Die Lage im Talkessel ist auf jeden Fall faszinierend, die City zieht sich entlang einer Hauptstrasse bergab – und die „besseren“ Wohnviertel liegen zur Abwechslung niedrig, nicht hoch. Das hat man sonst so auch nicht.

Im "Kessel"

In der Altstadt gibt es durchaus ein paar sehr hübsche Strassen, im Ganzen ist La Paz aber eher ein ziemlicher Moloch. Die Strassen sind überflutet von Menschen, Charme will aber irgendwie nicht aufkommen. Die Märkte haben was, besonders der Markt für Lebensmittel hat ein exotisches Flair – und der Nightmarket mit DVDs, Klamotten und billigen Elektroartikeln erinnert mich doch sehr an Kowloon. Aber sonst? Nicht sehr überzeugend.

Das Highlight war sicherlich ein Kulturcafe in der Altstadt, in dem ich während meines Stadtbummels für einen Kaffee halt machte. Sehr im Geiste der Schanze stand das Cafe ganz im Zeichen von Literatur, Musik und Malerei. Man lud mich ein am Abend einer Literaturlesung beizuwohnen und die Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen. Ich habe sogar etwa zwei Drittel des halb humorigen, halb gesellschaftskritischen Textes verstanden, aber wichtiger war noch der Kontakt mit der örtlichen Boheme, die sehr nett und aufgeschlossen mir gegenüber war – als einziger Gringo in der Gesellschaft.

Ansonsten fällt einem in La Paz vor allem die hohe Polizeidichte auf, an jeder Ecke steht einer. Witzigerweise ist die Waffenkammer mitunter etwas antiquiert, ich habe sogar alte M1 Karabiner und Schmeisser Machinenpistolen aus dem Zweiten Weltkrieg gesehen, erstaunlich. Nichtsdestotrotz hat die Gendarmerie nichts bedrohliches, was sehr für die Bolivianer spricht!

Unterm Strich ist La Paz sicherlich einen Besuch wert, schon allein wegen des Blicks vom Mirador, einem Berg in der Mitte des Tales, über das Panorama der eng bebauten Hänge (Putz kann sich hier allerdings kaum einer leisten, alles roter Stein) und die umliegenden Berge von sechstausend Metern, aber wohnen möchte ich hier wirklich nicht.

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