Dieses mal war die Bahnfahrt deutlich besser. Die Liege war zwar immer noch zu kurz, aber nicht ganz so sehr und ich konnte meine Füße in den Gang baumeln lassen – bis auf den Chai-Tee Höker, der in schöner Regelmäßigkeit seinen Tank gegen meine Knöchel knallte, war das wesentlich angenehmer. Eine interessante Fahrt, übrigens: Ich teilte mir mein „Abteil“ mit einer muslimischen Familie (Muttern sah aus wie Hui Buh in Schwarz, nicht mal die Augen waren zu sehen – wie die wohl bei einsetzender Dunkelheit navigiert?) und einem jungen Hindu. Während beide mir gegenüber – besonders der muslimische Vater – ganz außerordentlich höflich waren, haben sie sich gegenseitig derartig angezickt, das war schon erstaunlich (sie sprachen Englisch, so konnte ich folgen, aber der Tonfall allein sprach schon Bände). Mir scheint ohnehin, das der Inder an sich nicht all zu viel von seinen Landsleuten hält, wann immer ich mich mit Indern unterhalten habe fingen sie früher oder später an über ihre jeweiligen Mitbürger zu fluchen – allerdings ohne den zu erwartenden Bezug auf Kaste oder Religion, ganz allgemein. Na, nicht mein Problem.
Hampi nun ist wirklich ein Traum! Vorweg: Sowohl landschaftlich als auch von den Tempeln her bisher eine meiner Lieblingsgegenden. Es ist heutzutage ein ziemlich kleines Dorf, das man wohl am besten mit „ramschackle“ beschreiben kann, mit nur wenigen asphaltierten oder auch nur befestigten Straßen, aber mit einer der schönsten und weitläufigsten Tempel- und Palastanlagen gesegnet, die ich bisher gesehen habe. Die Landschaft ist geprägt von felsigen Hügeln und üppigem Grün dazwischen – mehrheitlich werden hier Bananen und Zuckerrohr angebaut. Der Haupttempel liegt im Dorf:
Haupttempel Nicht so bunt, daher schöner – finde ich.
Die meisten noch vorhandenen Bauwerke stammen aus dem 16. Jahrhundert, als Hampi die Hauptstadt der Telugu war und um die 500.000 (!) Einwohner hatte – die Dynastie endete gegen Ende des 16. Jahrhunderts, als die Dekkan Sultanate sich gegen die Telugu verbündeten. Durch ihr relativ junges Alter sind die Tempel etwas aufwändiger und weniger erodiert als ihre tausend Jahre älteren Vettern in Mamallapuram.
Interessant an dem was man heute noch sieht ist, dass die Hauptstraße des Dorfes, die auf den Tempel zuführt, früher wohl mal so etwas wie eine mit Arkaden gesäumte Prachtstraße gewesen sein muss, die im Laufe der Zeit verfallen ist. Das obere Stockwerk dieser Arkaden steht nur noch in Rudimenten – und das Erdgeschoß wurde zu kleinen Wohneinheiten umfunktioniert:
Auf den Hügeln drum herum verteilen sich kleinere, nicht ganz so filigrane, aber umso charmantere Tempel, eher kleine Schreine:
Etwas entfernt liegen dann weitere Tempel und die alte Palastanlage – ein traumhaftes Panorama. Und um das Bild komplett zu machen, fließt durch die Mitte ein Fluss, der schon fast sauber ist:
Abendstimmung
Ein freundliches Schild warnt vor Krokodilen, aber man darf wohl davon ausgehen, dass die Warnung, wenn sie überhaupt mal gegolten hat, überholt ist…
Etwas flussabwärts liegt der Vittala Tempel, der ein weiteres Highlight darstellt: Die Säulen um das zentrale Heiligtum sind besonders filigran gearbeitet und mit wunderschönen Skulpturen versehen.
Auch hier wird natürlich hin und wieder renoviert, aber dankenswerterweise werden die alten Reliefs nur nachgezogen, nicht mit Zement zugekleistert!
Der Palastbezirk ist dann noch mal eine Geschichte für sich, allerdings steht außer einem Gebäude im Königinnenbereich und der königliche Garage (dem Elefantenstall) nicht mehr viel und es ist völlig überlaufen, also nicht so meins.
Auch war der Tag, an dem ich mir den Vittala und den Palast ansah, ein langer: Insgesamt etwa 14 Kilometer Fußmarsch, plus das Rumkraxeln in den Tempeln und Ruinen – wie gesagt, der Bezirk ist weitläufig. Selbstverständlich erwischte ich früher oder später die Mittagshitze, aber vier Liter Wasser hielten mich am Laufen. Nach Feiern war mir abends dann aber wirklich nicht mehr zumute – aber in Hampi gibt’s sowieso kein Bier, nicht einmal under-the-counter.
Noch schöner für meinen Geschmack wird es auf der Nordseite des Flusses: Ein Seitenarm führt durch ein besonders üppig grünes Tal, kleine Bäche gurgeln durch die Reisfelder und Palmenhaine, der Verkehr ist kaum vorhanden, so dass man nur Wind, Vögel und Insekten hört – ein ungewohnter Traum!
Ein paar Kilometer entlang dieses veritablen Idylls liegt auf einem Berg der Hanuman Tempel, der angebliche Geburtsort des Affengottes. Nach 570 Stufen steil bergauf bietet sich ein prachtvoller Blick über Hampi:
Der Tempel an sich ist allerdings nichts besonderes, architektonisch gesehen. Lediglich die – buchstäblich – dauerbekifften Shadus sind einen Blick wert, wie sie mit Trommel und Zimbel stundenlang ihren monotonen Singsang von sich geben.
Nur der kleine Darshan – ein Bursche von vielleicht zehn Jahren – wollte mit mir um die Wette hoch laufen. 570Stufen! In der Mittagshitze! Bei der Steigung! Ja, großartige Idee. Selten so geschwitzt! Und gewonnen hat natürlich trotzdem er...
Wiederum ist Hampi allerdings nicht unbedingt ein Geheimtipp und es tummelt sich doch einiges an Touristen, indischer und westlicher Herkunft. Besonders erstere halten vom Prinzip „Einfach mal die Schnauze halten“ nicht besonders viel, besonders wenn sie in größeren Gruppen auftreten (was der Inder an sich gerne tut) – mit Stille genießen ist es daher nicht weit her. In aller Fairness: Westliche Gruppen benehmen sich natürlich auch nicht besser, sind hier aber seltener. Erst am Spätnachmittag, wenn die Sonne sinkt, wird es auf einmal doch ruhig, an manchen Stellen des Hügels hört man nicht einmal die Tuk-Tuks und das sonst unvermeidliche Gehupe, das hat man hier wirklich selten! Und spätestens auf der Nordseite, wo sich kaum ein Tourist hinverirrt, hat man dann wirklich seine Ruhe.
Eine wunderschöne Ecke!
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